Tomaten im Winter
Ja oder nein?
Schwierige Frage, die am Ende nur jder individuell beantworten kann. Blicken wir doch mal differenziert darauf.
Meine Gedanken dazu sind, dass es wirklich in der heutigen Zeit unfassbar schwer ist komplett saisonal / regional zu essen. Ich kenne niemanden, der das dauerhaft schafft. Phasenweise ja, aber in Summe nein. Bei vielen Lebensmitteln ist nur nicht so ein großer Hype drum herum, aber meistens ist es trotzdem von weit her. Traue mir behaupten, dass nur ein ganz geringer Teil der Menschen wirklich weiß, wo die Nahrung – und zwar die komplette – herkommt.
Ich bin ein riesen Fan von saisonal / regional und finde, dass es auf jeden Fall auch das beste ist aus vielen Gründen.
Vorteile von regionalem Obst und Gemüse kennen wir alle. In meinen Augen vor allem:
- stärkt es die regionale (Land)Wirtschaft
- ist die Vitalstoffdichte meist höher
- passt es besser zu unseren Bedürfnissen im Winter
- ist es ökologischer (und mir braucht niemand mit irgendwelchen Berechnungen kommen, dass manches Obst aus Neuseeland eine bessere CO2-Bilanz hat als Lageräpfel aus Deutschland) – für mich gibt es nämlich noch sowas wie klaren Menschenverstand 😉
- und somit auch gesünder
Daher: gibt es bei mir im Winter verstärkt Wintergemüse und Obst.
sämtliche Kohlsorten (Weißkohl, Rotkohl, Grünkohl, Palmkohl, Rosenkohl, Spitzkohl usw.), viel Wurzel- und Knollengemüse (Rettich, Karotte, Pastinake, Petersilienwurzel, Schwarzwurzel, Steckrübe, Rote Rübe usw.), Zwiebeln, Äpfel, TK Beeren aus dem Garten.
ABER: Wenn wir Saisonalität schon so groß schreiben und nichts von weit weg kaufen wollen, dann zählt es doch nicht nur bei den Tomaten, oder?
Denn weißt du, was auch nicht saisonal / regional aus Nachbars Bio-Bauernhof kommt?
Olivenöl, Mandeln, Bananen, Weintrauben, Orangen, Kakao, Zimt, Vanille und noch so vieles mehr, was in unseren Küchen zum Einsatz kommt, ist ganz weit weg davon, regional zu sein.
Doch komischerweise gibt‘s zig Beispiele, bei denen es „normal“ ist, aber bei Tomaten im Winter aus Spanien ist der Aufschrei groß. Ach so, und der Endgegner: Avocados. Da MUSS man als verantwortungsbewusster Bürger ja ein schlechtes Gewissen haben, wenn man die als Deutscher kauft.
Das Totschlagargument: der Wasserverbrauch.
Und ja, es gibt extrem hohen Wasserverbrauch beim Tomatenanbau ebenso wie beim Avocadoanbau das ist in vielen Regionen durchaus problematisch. Aber wer hat sich wirklich schon mal informiert, wie es in den Mandelplantagen zugeht? Wie es in Bananen-Anbaugebieten aussieht? Die Liste kann man ewig fortführen.
Ganz ehrlich: wenn ich nur noch das und dort kaufen würde, was ich von Anfang bis Ende der Produktionskette zu 100 % unterstützen kann, dann wäre mein Teller die meiste Zeit leer und ziemlich einseitig!
Traurig aber wahr…
Der Blick fürs große Ganze
Natürlich kann man nach einem Schlagzeilen-Artikel, der unser gesundes Mitgefühl weckt, sagen „auf dieses eine Lebensmittel verzichte ich jetzt ohne wenn und aber“. Wer wirklich hinschaut und recherchiert, wird aber merken, dass dann nicht mehr so viel übrig bleibt.
Wir lesen über Tomaten und Avocados und kaufen diese nicht mehr. Ob DAS dann die Welt verändern wird? Und ob es wirklich nachhaltig ist? Die 200 g Tomaten, die ich im Monat kaufe, werden es nicht rausreisen. Nicht, wenn ich gleichzeitig bei den Kokosraspeln, beim Reis, beim Kaffee nicht hinschaue, wie die Anbaubedingungen sind.
Vielleicht macht’s mir ein besseres Gewissen, aber langfristig hilft nur ein ganzheitlicher Blick und eine bewusste Kaufentscheidung in allen Bereichen. Nicht geleitet durch Angst und Schlagzeilen, sondern durch bewusst selektierte Informationen und klaren Menschenverstand.
Mal abgesehen davon … Die Wirkung auf unseren Körper
Gemüse im Winter aus Spanien ist teuer und schmeckt oft nicht. Zudem hat das typische Sommergemüse einen kühlenden Effekt auf unseren Körper, während typisches Wintergemüse eher wärmend ist. Wer also im Winter eh schon oft friert, arbeitet mit kühlendem Wintergemüse eigentlich gegen die Natur.
„Brauchen“ tut man das Sommergemüse aus gesundheitlicher Sicht im Winter nicht – sofern der Frischkostanteil durch Wintergemüse gedeckt wird. Es ist auch einfach nicht unbedingt das Natürlichste in unseren Breiten bei Eis und Kälte im Winter Tomaten zu essen.
Trotz alle dem finde ich, man darf die Kirche im Dorf lassen. Wir leben in einer globalisierten Welt und man darf ja auch die Vorzüge davon nutzen. Wir leben bei weitem nicht mehr wirklich „artgerecht“ und unsere Ernährung ist auch nicht mehr so richtig ursprünglich, auch wenn man es in einigen Bereichen versuchen kann.
Wie passt es in mein Leben?
Für mich ist es dann so, dass ich einfach schaue, wie es gut in mein Leben passt. Wintergemüse zum Kochen und zuhause im Salat. Zuhause brauche ich es wirklich überhaupt nicht und würde es noch weniger kaufen, wenn ich alleine leben würde. ABER: wenn ich mich entscheiden muss, ob die Familie im Winter Gemüse aus Spanien oder gar kein Gemüse isst, dann kaufe ich trotzdem die Tomaten. UND: Als Snack für unterwegs beim Wandern macht sich Paprika, Tomate, Gurke und Karotte einfach besser als Grünkohl, Rote Beete und Kürbis. Deswegen gibt’s das da für mich auch gerne mal 😉
Die Tomaten kaufe ich z.B. trotzdem Regional – wenn auch nicht Saisonal und somit aus dem Gewächshaus. Schmecken dann aber wenigstens nach etwas und ich stärke trotzdem die heimische Landwirtschaft damit. Ein hoher Frischkostanteil ist mir wichtiger als reine Saisonalität und tut mir besser, als stur etwas zu meiden.
FAZIT
Ich möchte niemanden verurteilen, der sich schwer tut, Wintergemüse in seine Ernährung zu integrieren und daher auch Importgemüse und Obst kauft. Noch vor ein paar Jahren habe ich bei weitem nicht so viel Wintergemüse gegessen und gekocht. Wir sind es einfach nicht mehr gewohnt, Topinambur, Pastinake und Lauch zu verarbeiten. Wie es mit allen neuen (oder wiederentdeckten) Sachen so ist, braucht das einfach seine Zeit, bis wir es fest in unserem Alltag verankert haben.
Und gleichzeitig bewundere ich jeden, der es schafft, ausschließlich saisonal/regional zu essen. Auch wenn ich noch niemanden getroffen habe, bei dem das so ist.
Aber hey, bei den vielen Nachteilen der heutigen Zeit, dürfen wir doch auch die Vorzüge genießen, oder wie siehst du das?
Lass mir gerne deine Gedanken zu dem Thema unter meinem neusten Instagram-Beitrag da. Du findest ihn hier
Herzlich
Deine Julia